La La Land – US-Kultur, Weltkultur

Michael Opielka – 15. März 2017

Jetzt endlich „La La Land“ von Damien Chazelle angesehen, erhielt immerhin sechs Oscars, wurde für vierzehn nominiert. Zuvor die Ungewissheit, ob es sich lohnt. Die CD mit der Filmmusik mehrmals gehört, ein wenig traditioneller Jazz, eingängige Balladen, illustrierende Orchester, einen Oscar gab es auch dafür, kein Mainstreampop, aber doch eher gefällig. Vielleicht doch die Hollywood US-Kultur, Jugendfilmkultur, Hauptdarsteller wie Emma Stone und Ryan Gosling, aus Mainstreamfilmen uns natürlich unbekannt, wer schaut schon „The Amazing Spider-Man“ oder „Gangster Squad“, wer möchte schon Zeit nur verbrauchen. Aber dann eben doch ein Abend in Los Angeles, der „City of Stars“. Er hat gelohnt. Nicht nur wegen der Tränen, die den Romantiker daran erinnern, dass das Leben zwischen Verpasstem und Gelungenem pendelt und so oft erst später, viel später klar wird, wozu die Entscheidungen rechnen, die wir treffen.

Es gibt einige gute Besprechungen dieses Films im Netz, die hymnische aus der „Zeit“ zum Beispiel, „auf die Narren, die träumen“ http://www.zeit.de/kultur/film/2017-01/la-la-land-musical-film-golden-globes-ryan-gosling-emma-stone/komplettansicht, ein Schlüsselszenensatz, denn hier feiert der junge Regisseur das weltzugewandte Träumen, das eingreift, das die Zukunft antizipiert und ihr dadurch den Weg bereitet. Alle berauschen sich in diesem Augenblick an diesem Ja zur Welt, das Ernst Bloch vor langer Zeit als „Prinzip Hoffnung“ untersuchte, wir freuen uns mit, das ist Amerika, der neue Tag.

Andere Beobachter sehen die Leidenschaft im Zentrum, den Kunstwillen, für den echten Jazz https://www.br-klassik.de/themen/jazz-und-weltmusik/la-la-land-film-musical-kritik-100.html Gosling spielt das unbeholfen, putzig, adoleszent, so waren wir damals, einige kannten alle Besetzungen aller Langspielplatten, noch heute spielt Götz Alsmann in „WDR3 Persönlich“ jeden Samstagmittag diese Rolle http://www1.wdr.de/radio/wdr3/programm/sendungen/wdr3-persoenlich-alsmann/index.html Kaum ein Filmkritiker würdigte das professionelle Parallelgeschehen im Film, das kundig-verzweifelte Vorsprechen der Schauspielerin, wie der Pianist im Nachspielen aller LPs übt, übt auch sie an Sprache, Gefühlen, Mimik. Hier feiert Chazelle die Kunst als Lebensform, die ohne Egoismus nicht aus dem Bett kommt und ohne soziales Ankommen, ohne Publikum, verdorrt. Ohne Rezeption bleibt Kunst ungekannt, nur Ausdruck. Kunst als Kunst ist Weltkultur, das sieht die Zuschauerin in Lagos, der Kinogänger in Tokyo.

Wieder andere sind ganz unzufrieden. Schon wieder ein Tanzfilm, in dem nur halb getanzt wird, schimpft eine Tanzkritikerin im Deutschlandfunk http://www.deutschlandfunk.de/film-la-la-land-es-ist-ganz-klar-ein-nostalgiefilm.807.de.html?dram:article_id=379984, und noch wütender giftet die halb-rechte „Welt“ über einen Bonbon-Kapitalismus https://www.welt.de/kultur/kino/article161101633/La-la-langweilig.html Sie haben nicht unrecht. Am Anfang des Films ist ganz unklar, ob hier schon wieder die Aschenputtel-Cinderella-Geschichte des Kapitalismus erzählt wird, die Trump erst möglich gemacht hat: Du musst gefunden werden! Die hübschen, teils schönen jungen Frauen bieten sich an, die Männer mit Geld oder dumpfen Geschichten wählen. Doch vor diesem Anfang beginnt der Film mit der schon berühmten Tanzszene auf Autodächern im Highway-Stau von Los Angeles, Dünne und Mollige, alle Rassen, Schöne und solche wie wir. Für kurze Zeit wird die Routine durchbrochen, zeigt die Welt ihre Möglichkeiten. Wunderbar.

Was bleibt, was hallt nach und ist deshalb nachhaltig? Es ist die Ambivalenz, die hier, wie in aller guten Kunst, nicht verschwiegen wird. Man muss hinhören. Warum scheitern die beiden Protagonisten in ihrer parallelen Professionsentwicklung? Liegt es wirklich nur am Kapitalismus, wie die „Abendzeitung“ wähnt: „Die kapitalistischen Zwänge beim (Über-)Leben, die man eingehen muss, um Lebensziele zu erreichen, gehen auf Kosten des anderen großen Ziels: der Liebe!“ http://www.abendzeitung-muenchen.de/inhalt.az-filmkritik-la-la-land-melancholisch-beswingt.b4e2f415-3ae0-415f-b8d9-867586d2a151.html? Da hat einer nicht so richtig hingeschaut. Das zeigt die Größe dieses kleinen, tanzenden Films: von Anfang umkreisten sich die beiden, entschieden sich nicht wirklich füreinander, begnügten sich mit Träumen. Als beide Erfolg spürten, saßen sie sich am hellen Tag unterhalb des Griffith-Observatorium gegenüber, er sah sie in Paris und sich auf Tournee, sie sah sein Nein, das zu ihrem trat, und ihre Angst davor, sich einem Mann hinzugeben, dessen Willen vor allem auf sich bezogen bleibt. Das ist das Schöne und Schwierige an der Liebe, zeigt uns der feine Film: sie braucht den Willen beider. Der Wille des Menschen ist sein Himmelreich, lobte einst Rudolf Steiner die Wirklichkeit, im Willen zeigt sich das Karma des Menschen, sein Schicksal. Deshalb die Demokratie, die soziale Lebensform des aggregierten Einzelwillens. Aber eben auch das Scheitern, die Scheidungen, die Fake-News, der Populismus des abgestumpften Willens ohne Einfühlung in die Zurückgesetzten. Ein guter Film.