Buch
Michael Opielka, Villa Mare. Reisebericht (2017)
Ein Mann fährt zurück in seine Vergangenheit. Etwas ist geschehen, was genau es ist, muss unscharf bleiben, deshalb reist er in den Süden, nach Elba, will in die Villa Mare, in der er damals, vor vierzig Jahren, glaubte erwachsen geworden zu sein. Aber es gibt die Vergangenheit nicht ohne die Gegenwart und die Jahre, die dazwischen waren. So lesen wir eine intellektuelle Novelle, sie ist oft bildhaft, gedankenreich, persönlich und ehrlich und doch diskret. Die Geschichte lässt uns an großen Themen teilhaben, Sozialismus, Nachhaltigkeit, Religion, Grundeinkommen, Gemeinschaft und Liebe. Man liest das Buch gerne, wenn man Rätsel liebt, aber keine Verrätselung, wenn man den Rhythmus der Sprache spürt, sich am Aufbau eines Textes erfreut und gerne feststellt, dass alles, was man liest, einen Sinn hat, am richtigen Ort steht und irgendwie auch schön ist, selbst dort, wo es um Trauriges geht, um Tod und Trennung.
Gehört das Buch zu den Veröffentlichungen des ISÖ? Einerseits natürlich nicht, es ist auf den ersten Blick kein Forschungsbericht, es liest sich wie ein Roman. Andererseits aber doch. Es ist ein Forschungsbericht in das Innere, in die Bedingungen unseres menschlichen und damit auch gesellschaftlichen, politischen Handelns. Idee und Konzept der „Sozialen Nachhaltigkeit“, der Grundlage des ISÖ, müssen sich oft den Vorwurf anhören, der Bezug auf die (staatliche) Sozialpolitik und die (internationalen, globalen) UN-Nachhaltigkeitsziele (SDG, Sustainable Development Goals) lasse den Akteur, die Handelnden, die konkreten Menschen, also Uns aus dem Blick. Gegen dieses und überhaupt gegen jedes dualistische Denken wendet sich auch dieser Reisebericht in das Innere, „Villa Mare“. Wir müssen als Menschen mit Ambivalenzen leben, nichts ist genauso wie es scheint und doch müssen wir die Phänomene ernst nehmen.
Der Autor Michael Opielka leitet das ISÖ.