„Die Waffen nieder!“ am Schauspielhaus Bonn

Michael Opielka – 8. November 2025

„Die Waffen nieder!“ steht in einer alten Ausgabe in meinem Bücherregal. Bertha von Suttner schrieb es 1889. 1905 wird sie auch dafür den Friedensnobelpreis erhalten. Das Buch steht in meinem Regal, weil ich meine Kindheit in der Suttnerstraße verbrachte, in Stuttgart, auf dem Freiberg, einst das „Klein-Chicago“ des Westens, Plattenbauten, Hochhäuser, Straßenkriminalität. Jetzt hat der Roman im Theater Premiere. Im Schauspielhaus Bonn. Einem eigentümlichen Schauspielhaus, früher Kino, so sieht es noch immer aus von Innen, Guckkastenbühne, schlechte Sicht von hinten, von Außen wie Kinos früher aussahen. Nach Erwartungsfreude.

Vor der Aufführung Wikipedia zurate gezogen. Wer war sie eigentlich, Bertha von Suttner. Der Beitrag ist lesenswert. Ich wusste das alles nicht, eine Aktivistin vor den Herren, aber mit den Männern. Über den Roman, ist das überhaupt einer, diese Collage aus Tagebuch, Dokumenten, Gedanken, kann ich nichts sagen. Er wartet mit vielen Büchern im Regal auf Beachtung. Was wir auf der Bühne des Bonner Schaupiels hören, ist kaum Literatur, weit und breit keine Shakespeare-Sprache, dafür sehr viel Zeitungs-Sprache.

Aber dafür sehen wir eine Bühne aus blutgetränkten Verbänden. Das ist der Krieg. Der wirkliche Krieg. Der Totmacherkrieg. Das Schauspielhaus Bonn zeigt im Netz einige Fotos und einen Trailer, auch ein wenig Text, fast keinen Hintergrund: https://www.theater-bonn.de/de/programm/die-waffen-nieder/221200 Das ist womöglich der Preis, wenn man zur Kostensparung so vieles auslagert, mit freien Regisseur:innen und Schauspieler:innen arbeitet, wenn das Ensemble schrumpft. Kristin Steffen, eine der drei Schauspielerinnen, die Martha Althaus spielen, die Suttnersche Gräfin, ihr Fast-Alter-Ego, jedenfalls ist ein Bühnenlicht, 2018 Nachwuchsschauspielerin des Jahres. Sie steigen modern in den blutigen Kulissen herum, singen, schreien, übernehmen Rolle um Rolle, ein literarisches Psychodrama.

Suttner erhielt nicht den Literaturnobelpreis, sondern den für Frieden. Zurecht. Sie gründete, unter anderem die DFG, die Deutsche Friedensgesellschaft, die es noch immer gibt, ich war selbst einst Mitglied, aber nicht lange, zu realkommunistisch unterwandert war der Verein damals. Pazifismus ist politisch. Das sehen wir auf der Bühne, das Thema ist so aktuell. Suttner schimpft auf die allgemeine Wehrpflicht. Noch mehr Kanonenfutter, noch mehr Soldaten. Aber sie verteidigt die Verteidigung. Sie ist Pazifistin, aber keine Illusionistin. Der Abend wird lang. Er will nicht aufhören. Es fehlt ein Plot, eine wirkliche Geschichte. Aber dann hört er doch auf. Der Bühnenvorhang senkt sich, immer weiter. Die dreifache Martha Althaus liegen flach, von der Gewalt gepresst. Sie reden weiter. Das müssen wir. Die Waffen nieder! Das muss sein. Das Publikum ist wohlgesonnen.