Trauriges Trumpland

Michael Opielka – 23. Januar 2017

Die Wahl des Populisten Donald Trump zum US-Präsidenten und die Willfährigkeit wie der Opportunismus, mit der die republikanische Partei aus dessen Präsidentschaft Vorteile generiert, erschrecken zu Recht. Wer für streitbaren, aber immer zivilen Umgang einsteht, wem die Menschenrechte und Respekt wie Nächstenliebe am Herzen liegen, kann sich derzeit wie gelähmt fühlen. Besonders bedrückend ist freilich, dass hier ein offensichtlich zumindest leicht Geistesgestörter in das mächtigste politische Amt dieser Welt hinein rutschte. Das klingt aus Wissenschaftlersicht hart. Doch es gibt zahlreiche Hinweise, wenn nicht Belege für diese beunruhigende Vorstellung.

In einem guten Beitrag in der Süddeutschen Zeitung (23.1.2017, Seite 3) beschreibt der Schriftsteller Peter Richter seine Wahrnehmungen vom Inaugurationstag und danach. Er sieht eine gespaltene Gesellschaft, Trump-Anhänger und Trump-Gegner, die sich nicht verstehen und verstehen wollen. Freilich: wie will man als vernunftbegabter Mensch Trump wohlwollend begegnen, wenn man die Schlusspassage des langen Beitrags liest, die mangels Online-Verfügbarkeit hier nun in voller Länge zitiert werden soll:

„.. irgendwann am Abend kursiert die Zahl von mindestens dreimal mehr Leuten, als Trump bei der Inauguration sehen wollten. Die New York Times zitiert ‚Crowd Scientists‘, die zu diesem Schätzergebnis kommen. Wie grotesk wichtig so etwas einmal werden kann, zeigt sich, als Trump am Nachmittag nach Langley hinausfährt zum Antrittsbesuch bei der CIA.
Der Termin gilt als Canossa-Gang, denn Trump hatte die Geheimdienste jetzt wochenlang aufs Korn genommen, ihnen die Hinweise auf die Wahlmanipulationen durch die Russen nicht abnehmen wollen, uns sie zwischendurch bezichtigt, ihm gegenüber Methoden ‚wie in Nazi-Deutschland‘ anzuwenden. Mit ihren Dossiers zur Sicherheitslage wollte er bitte lieber nicht mehr behelligt werden. Verfahrener kann eine Ausgangslage eigentlich gar nicht sein. Was dann daraus wird, ist aber selbst für Donald Trumps Verhältnisse und ausgebuffte Geheimdienstler ein außergewöhnlich bizarrer Auftritt.
Trump bewundert zunächst die Zahl der im Einsatz umgekommenen Agenten, so als sei das eine beglückwünschenswerte Leistung. Er sagt dann, er stehe dermaßen hinter dem Dienst, dass man sich noch wünschen werde, er stünde weniger hinter dem Dienst. Er sagt, er fühle sich wie 39. Er sagt, er wünschte, die USA hätten das irakische Öl einfach behalten. Dann geht es ihm in Langley darum, wie oft er beim Time Magazine auf dem Titel war. Nun, in wild mäandernder Weise kommt Trump vor den immer giggeliger werdenden CIA-Leuten umstandslos auf das Thema, das ihn am meisten beschäftigt, also auch an seinem ersten Tag im Amt: Es ist seine unbezwingbare, nicht endende, rasende Verachtung gegenüber den gottverdammten, hassenswerten Zeitungen. Immer wieder: ‚the media‘.
In scharfen Worten werden die Medien erst beschuldigt, einen Riss zwischen ihm und der CIA herbeigeschrieben zu haben, den es in Wahrheit ja nie gegeben habe. Der offenbar noch schwerer wirkende Vorwurf ist aber jetzt, an seinem ersten Tag als neuer Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika: Die Zeitungen haben seine Besucherzahlen bei der Inauguration kleingeredet. Der Hintergrund ist, dass die New York Times ein Foto von den Besuchern auf der National Mall bei seiner Amtseinführung einem Foto entgegenstellte, das die Situation bei Obamas Inauguration 2009 zeigt, als seriösen Schätzungen zufolge 1,8 Millionen Leute kamen. Die Bilder vom Freitag zeigten, dass es deutlich, wirklich sehr deutlich leerer war.
Trump ist vor den CIA-Leuten, die mit derlei Fragen sonst nicht befasst sind, außer sich. Er beharrt auf 1,5 Millionen Zuschauern, er habe sie selbst gesehen. Und so schickt er nach seinem Auftritt vor den verwirrten Geheimdienstlern seinen Press Secretary Sean Spicer in den Press Room: Die Medien hätten den Enthusiasmus der Anhängerschaft Trumps kleingeredet, sie würden ‚zur Rechenschaft gezogen‘, sie sollten sich vorsehen, so etwas noch einmal zu tun. Es ist wirr, es ist beängstigend.“

Das ist es. Ein großes Kind, nicht 39, sondern 9 im Kopf? Zugleich bauernschlau, verschlagen, geschickt? Oder mit seinem offensichtlichem Narzissmus ein willkommenes Werkzeug in der Hand der Interessen, die die republikanische Partei und teils auch die Demokraten, schon lange in der Hand halten: die PACs, die Millionäre und Milliardäre, die eher dazu neigen, die Ärmeren ärmer bleiben zu lassen und die Natur, unsere Umwelt als Ressource zu nutzen, statt nachhaltig zu wirtschaften und zu politisieren? Wir werden das beobachten. Trumps Wahl ist ein sozialer Einschnitt, wie es die Wahl Hitlers oder Duertes in den Philippinen war, die Wahlen von Assad und Putin wollen wir damit nicht vergleichen, denn dort wurden schon die Verfahren so manipuliert, dass von einer freien Wahl nicht gesprochen werden konnte. In den USA war dies bisher anders. 3 Millionen mehr Wählerinnen und Wähler für Hillary Clinton zeigen aber auch, dass auch in den USA und damit im Westen der Freiheit die Demokratie gefährdet ist – nicht zu vergessen die etwa 6 Millionen US-Bürger, denen aufgrund von Gerichtsurteilen das Wahlrecht entzogen wurde. Demokratie und Freiheit sind selbsterklärend, aber keine Selbstläufer. Ohne Soziale Bewegung, ohne persönlichen Mut und Wahrheitswillen drohen sie schon immer und weltweit zu verkümmern. Wir Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler dürfen das nicht wollen, wir werden die Trump-Krankheit weiter analysieren und nach einer Medizin suchen, die von ihr heilt.