Aufsatz

Michael Opielka, Das garantierte Einkommen – ein sozialstaatliches Paradoxon? (1984)

Michael Opielka, Das garantierte Einkommen – ein sozialstaatliches Paradoxon? Warum ein garantiertes Einkommen den Sozialstaat zerstören, retten oder aufheben kann, in: Thomas Schmid (Hrsg.), Befreiung von falscher Arbeit. Thesen zum garantierten Mindesteinkommen, Berlin: Wagenbach Verlag 1984, S. 99-120

Der erste Aufsatz von Michael Opielka zur Diskussion um ein Garantiertes Grundeinkommen erschien im Jahr 1984 im Sammelband „Befreiung von falscher Arbeit. Thesen zum garantierten Mindesteinkommen“, herausgegeben vom damaligen Lektor des Wagenbach-Verlages, Thomas Schmid, in diesem Verlag. Das Buch war die erste Buchveröffentlichung zum Thema Grundeinkommen in Deutschland und beeinflusste die Diskussion merklich. Thomas Schmid engagierte sich damals im grünen Milieu für eine „öko-libertäre“ Position, eine grüne Strömung, die ehemalige Kommunisten wie den späteren grünen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann und eher (und später) der FDP zuneigende Liberale wie Wolf-Dieter Hasenclever verband. Der Beitrag von Michael Opielka schlug in diesem Band einen ganz anderen Ton an: Angesichts der Jugend des Autors (bei Veröffentlichung des Buches war er 27 Jahre alt) überrascht bei der Re-Lektüre einige Jahrzehnte später die am damaligen Literaturstand geschulte Sachkunde, der nüchterne Blick der Mitte und eine Freude an der eleganten Sprache. Opielka unterschied nach einer nach wie vor recht überzeugenden historischen und (damals!) aktuellen Analyse der Sozialpolitik drei Optionen in der Grundeinkommens-Diskussion: die Zerstörung, die Rettung und die Aufhebung des Sozialstaats, wobei er natürlich die Option Aufhebung bevorzugt. Die Theorie der Wohlfahrtsregime war damals noch nicht bekannt (Esping-Andersen veröffentlichte sie erst 1991), eine Weiterentwicklung der drei Regimetypen (Konservativismus, Liberalismus, Sozialdemokratie/Sozialismus) um den vierten Typ Garantismus veröffentlichte Opielka erst 2004 („Sozialpolitik. Grundlagen und vergleichende Perspektiven“, rowohlt enzyklopädie). Doch die Grundidee ist schon erkennbar: Erträge und Würde des Wohlfahrtsstaats als Regulierung des Kapitalismus verdienen Respekt, aber darauf ausruhen wäre fatal. Kurz nach der Veröffentlichung 1984 geriet der deutsche Arbeitsmarkt in eine Dauerkrise („Massenarbeitslosigkeit“), die erst mit der „Agenda 2010“ der Jahre 2004-5 auf ein Ende zuzusteuern schien. Die empirischen Argumente der damaligen Zeit sind daher nur historisch interessant, das Bundessozialhilfegesetz gibt es nicht mehr und wenn „Hartz 4“ etwas geleistet hat, dann die damalige „Dunkelziffer der Armut“ zu reduzieren. Doch die Kernidee bleibt interessant: „dass Arbeit mit Einkommen, zumindest mit dem Recht auf Überleben, aber auch gar nichts mehr zu tun haben darf.“ (S. 116)