Aufsatz

Wolfgang Strengmann-Kuhn (im Gespräch mit Adrienne Goehler), Wie versetzt man Menschen in die Lage, ökologisch zu handeln? Damit kommt quasi zwingend das Grundeinkommen ins Spiel (2020)

Wolfgang Strengmann-Kuhn, Wie versetzt man Menschen in die Lage, ökologisch zu handeln? Damit kommt quasi zwingend das Grundeinkommen ins Spiel (im Gespräch mit Adrienne Goehler), in Adrienne Goehler (Hrsg.), Nachhaltigkeit braucht Entschleunigung braucht Grundein/auskommen ermöglicht Entschleunigung ermöglicht Nachhaltigkeit, Berlin: Parthas 2020, S. 190-201

Wolfgang Strengmann-Kuhn, Senior Fellow am ISÖ und Vorstand des Trägervereins, spricht mit Adrienne Goehler über den Zusammenhang von Nachhaltigkeit und Grundeinkommen. Das Gespräch ist in vielfacher Hinsicht lesenswert und deshalb steht es hier auch zum Download.

Es ist kein gewöhnliches Buch, das Adrienne Goehler, früher einmal Präsidentin der Hochschule für bildende Künste in Hamburg, grüne Senatorin in Berlin und Kuratorin des Hauptstadtkulturfonds herausgegeben hat. Das IASS – Institute for Advanced Sustainability Studies in Potsdam gewährte ihr zwei Jahre lang eine Fellowship und zählt sie heute zu den Affiliate Scholars. Wer Wissenschaft sucht, wird darin nicht wirklich fündig. So schreibt die Herausgeberin in ihrer Einleitung: „Zu meinem wirklich großen Erstaunen gibt es das Naheliegende nicht. Es gibt so gut wie keine gegenseitigen Bezugnahmen zwischen den Transformationswissenschaften und den weltweit wachsenden Netzwerken, die das Bedingungslose Grundeinkommen gegenwärtig in Pilotprojekten an mehreren Stellen auf der Welt erproben und seine Auswirkungen erforschen.“ (S. 12f.) Das erstaunt das ISÖ, denn in 2017 erschien eine vom IASS finanzierte Studie von Michael Opielka „Soziale Nachhaltigkeit“ und im selben Jahr noch fand zu dieser Studie ein Symposium von IASS und ISÖ in Potsdam statt, das auch in Videos und Print dokumentiert ist. Wolfgang Strengmann-Kuhn weist im Gespräch auf die Studie und das Symposium (an dem er teilnahm) hin. Aber es verwundert doch, dass das IASS zwar von Vernetzung spricht, aber im eigenen Haus nicht praktiziert. Das zeigt auch ganz gut der Schlussbeitrag der IASS-Direktorin Patrizia Nanz und ihres Mitarbeiters Lukas Kübler. Sie haben sich, obwohl Nanz Politikwissenschaftlerin ist, wohl noch nie mit der Sozialpolitik und mit dem Grundeinkommen beschäftigt. Es ist lehrreich zu lesen, wie sich die akademisch arrivierte Kollegin dem Thema nähert. Zuerst sehr aufgeschlossen („.. verspricht das Grundeinkommen mit einer einzigen Maßnahme einen einfachen Paradigmenwechsel an die Stelle ewigen ‚Durchwurstelns‘ zu setzen“, S. 346). Aber dann fallen lauter Probleme ein („wird jede Reform im Sinne eines Grundeinkommens die Kontexte historisch gewachsener gesellschaftlicher und ökonomischer Sozialversicherungssysteme berücksichtigen … müssen“, S. 348), nun ja, es gibt ja nicht nur Sozialversicherungssysteme, aber wie gesagt, die AutorInnen tasten sich heran und werden im Tasten immer skeptischer („bis nach seiner möglichen Einführung plötzlich jedes Detail von der Höhe des Einkommens bis zum Verhältnis zu anderen sozialstaatlichen Leistungen im Rahmen der bestehenden Machtverhältnisse ausgehandelt werden muss“, S. 348). So ist es im Leben, aber die Sozialpolitik ist für NachhaltigkeitsforscherInnen wirklich kein angenehmes Feld, einfach sehr kompliziert. Am Ende, in den letzten Sätzen, möchte die IASS-Leitung das Grundeinkommen in der Lausitz testen, vielleicht, als Teil regionaler Transformation. Aber genau wissen will man das alles nicht.

Trotz der ISÖ-Skepsis gegenüber luftigen Ideen ist das Buch von Adrienne Goehler eine Empfehlung. Für nicht allzuviel Geld, dank IASS-Förderung, gibt es ein opulentes Werk, über Buchhandlungen und direkt beim Verlag: https://www.parthasverlag.de/buch/nachhaltigkeit-braucht-entschleunigung-braucht-grundeinauskommen-ermoeglicht-entschleunigung-ermoeglicht-nachhaltigkeit-279.html  unterdessen aber auch in der Online-Welt bei den großen Giganten.