Vortrag

Modellvergleich – Solidarische Mindestrente oder Grundrente? (5.2.2019)

Als Datei herunterladen

Am Anfang war der Wunsch zum Austausch über die Zukunft der Rentenpolitik. Das Büro von Ralph Lenkert, Jenaer Bundestagsabgeordneter der LINKEN, fragte Prof. Opielka langfristig an, ob er mit Matthias W. Birkwald, Bundestagsabgeordneter der LINKEN aus Köln und rentenpolitischer Sprecher der linken Bundestagsfraktion, über die Grundsätze der Rentenpolitik diskutieren wolle. Das mache er sehr gern, erwiderte er Ralph Lenkert, den er aus dem Bundestag kennt und schätzt. Als wissenschaftlicher Direktor des IZT – Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung in Berlin (2012-2016) war Prof. Opielka Mitglied des Konsortiums des Büros für Technikfolgenabschätzung des Deutschen Bundestages (TAB) und Ralph Lenkert gehörte dem das TAB begleitenden Gremium des Bundestages an. Am 5. Februar 2019 fand die Veranstaltung in Jena statt, Lobeda, Betongebirge. Vereinbart war, dass Prof. Opielka einen kurzen Vortrag hält, der Abgeordnete Birkwald danach und dann sollte diskutiert werden. Birkwald hat sich einen Namen in der linken Rentenszene gemacht, gemeinsam mit Christoph Butterwegge und Gerd Bosbach hat er 2012 ein zuspitzendes und etwas verwirrendes Buch über „Armut im Alter“ herausgegeben und 2017 mit dem linken Parteivorsitzenden Bernd Riexinger ein Konzept für eine „solidarische Mindestrente“ ausgearbeitet, das den Geist des Sozialismus bemüht: Matthias Birkwald, Bernd Riexinger, Solidarische Mindesrente einführen, 2. Auflage Supplement der Zeitschrift Sozialismus, 2, 2017.  Darüber hätte sich zu diskutieren gelohnt, zumal Matthias Birkwald am Morgen der Veranstaltung eine links-wuchtige Presseerklärung zum Thema in die Welt schickte.

Doch mit der Diskussion wurde es nichts. Es war die denkwürdigste und unangenehmste Diskussionsveranstaltung im (bisherigen) Leben des Prof. Opielka. Die Plätze der Referenten waren durch angetrunkene Stammgäste besetzt, die Veranstalter hatten die Lokalität vorher wohl nicht in Augenschein genommen und so auch nicht bemerkt, dass aus der einstigen linken Heimat die Heimat eines dumpfbraunen AfD-Milieus geworden ist, das sich vor allem am Alkohol, aber längst nicht mehr an Gedanken berauscht. Ständig wurde in Vorträge und Diskussion laut hineingelallt, den wackeren ZuhörerInnen, dem Veranstalter Lenkert und den ehrlichen DDR-Veteranen war es peinlich, an eine ernsthafte Diskussion war nicht zu denken. Matthias Birkwald schien das nicht zu stören. Er redete vor sich hin, an einem Gespräch, einem Austausch mit Prof. Opielka war er nicht interessiert, er interessierte sich – wie leider viele Politiker – nur für sich selbst.

Eine verpasste Gelegenheit also und wieder einmal eine interessante ethnologische Beobachtung: was die „Linken“ wollen, soll zwar irgendwie „Sozialismus“ sein. Doch ein Konzept, wie der Sozialstaat, der „Sozialismus im Kapitalismus“, wie ihn der bekannte Sozialpolitiktheoretiker Eduard Heimann in den 1920er Jahren nannte, so organisiert werden könnte, dass er tatsächlich „sozialistischer“, also gemeinschaftlicher wäre, damit tut sich jedenfalls der Teil der LINKEN, der gegen ein Grundeinkommen wettert, schwer. Prof. Opielka wollte diese Frage diskutieren: wäre eine möglichst voraussetzungslose Grundrente, die sich nicht am Lebens(erwerbs)einkommen orientiert, sondern allein an der langfristigen Teilhabe als Bürgerin und Bürger, nicht ein präzises Pendant zu einem Grundeinkommen und auch bis weit in liberale und konservative Kreise hin konsensfähig, wie die Schweiz, die Niederlanden oder Skandinavien zeigen? Das klappte nicht wegen Alkohol bzw. AlkoholfürDeutschland (AfD), aber vielleicht ein andermal.